Interview zur Griechenland-Krise: „Jetzt klauen sie uns auch noch die Sonne“
Griechenland steckt in der Krise. Und Rüdiger Bolz in Griechenland. Auf die Krise hat er deshalb seinen eigenen Blick. Im Interview erklärt der Leiter des Goethe-Instituts Athen das Europaverständnis der Griechen und warum sie zwar auf Merkel schimpfen, aber in immer größerer Zahl ins Goethe-Institut kommen.
Herr Bolz, was bekommen Sie derzeit in Athen zu hören, wenn Sie sich als Deutscher zu erkennen geben?
Zunächst bin ich gar nicht so leicht zu erkennen als Deutscher – und höre damit viel mehr, als wenn ich von vornherein kenntlich wäre. Aber generell kommt sehr häufig die Frage: Warum mögt ihr uns nicht mehr und was hat eigentlich eure Angela Merkel gegen uns?
Die Vorbehalte richten sich also gegen die deutsche Politik, nicht gegen das jeweilige deutsche Gegenüber?
Ich weiß durchaus von Fällen, wo deutsche Gäste oder Touristen, die sich wohlwollend auf ein Gespräch eingelassen haben, ziemlich aggressiv angegangen worden sind. Aber ich selber und das Institut haben das so noch nicht erlebt, ganz im Gegenteil: Sowohl unsere Veranstaltungen als auch unsere Sprachkurse werden so intensiv wahrgenommen wie eh und je, teilweise sogar noch stärker. Das mag auch daran liegen, dass insbesondere im kommerziellen Kulturbereich nur noch ganz wenig läuft und die Leute jetzt verstärkt Kulturangebote wahrnehmen, die nichts kosten. Ich kenne kaum noch Veranstalter und Produzenten, die irgendein Wagnis eingehen. Auch bei Veranstaltungen, bei denen normalerweise Monate im voraus keine Karten mehr zu bekommen sind, gibt es jetzt noch Karten an der Abendkasse. In der Oper werden jetzt fremde Aufführungen auf eine Leinwand übertragen, etwa aus Verona. Das wäre vor zwei Jahren noch undenkbar gewesen. Aber unsere Veranstaltungen waren selbst bei Generalstreiks bestens besucht. [weiter]